In einer Kirche: Gläubige knien vor ihren Bänken, ein Pfarrer macht irgend etwas vorne vorm Altar. Es hat den Anschein, als wenn die Gläubigen dies nicht richtig mitbekämen. Man hört von fern etwas Lateinisches, Monotones, im Hintergrund Kirchenmusik, aber irgendwie scheint alles in diesem Bild nebeneinander herzulaufen.
Dies scheint als katholische Messe eher eine abschreckende Erinnerung zu sein. Mit dem II. Vatikanischen Konzil (1962-65) wurde jedoch ein ganz neuer Akzent gesetzt: die Gläubigen sollen die Messe nicht nur miterleben, sondern auch und besonders die Eucharistie mit anschliessender Kommunion mitvollziehen. So werden seitdem die Messen in der jeweiligen Landessprache durchgeführt. Dies führte auch zu einer neuen Rolle der Kirchenmusik in der katholischen Messe: sie soll nicht mehr nebenher laufen, sondern ist laut der Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium notwendig, um die Gläubigen in den Gottesdienst zu integrieren, sie ist "ein mit dem Wort verbundener gottesdienstlicher Gesang". Mit anderen Worten: der Gesang wird zur liturgischen Handlung. Dieser "pars integralis" führt den Kirchenmusiker zu einer schweren Aufgabe. Er muss den Fundus der Kirchenmusik den liturgischen Bedingungen anpassen, damit sie den liturgischen Ablauf stützt und sogar bereichert und nicht statt dessen hemmt oder aufbläht.
Dies setzt eine gewisses sensibles Verhältnis zur Liturgie voraus. Der Kirchenmusiker muss nicht nur wissen, was wann "dran ist", sondern auch eine Antenne für das liturgische Geschehen haben, um im Rahmen einer Messe kleine "Oasen des Lebens" erstehen lassen zu können. Völlig klar ist ferner, dass dazu auch eine gute Abstimmung mit den Geistlichen (hier gemeint: das ganze pastorale Team einer Gemeinde: Pfarrer, Kaplan, Gemeindereferentin etc.) vorhanden sein muss, ansonsten prallen höchstwahrscheinlich verschiedene Empfindungen aufeinander. Im folgenden möchte ich den Aufbau der Messe kurz umreißen. Es handelt sich nicht um eine tiefe theologische Beschreibung, diese Abhandlung soll nur helfen, einen kleinen Einblick zu bekommen.
Der klassische Aufbau der Messe hat Bestandteile, die je nach Anlass individuell gestaltet werden können (oder auch manchmal wegfallen, wie z.B. bei Kindermessen). Die Messe besteht aus zwei Hauptteilen: Wortgottesdienst und Eucharistie. Umrahmt werden diese Teile von Eröffnung und Entlassung.
Alle Teile, die mit einem * gekennzeichnet sind, können musikalisch gestaltet werden (und werden es auch meistens).
Es ist die Aufgabe des Kantors, die Lieder auszuwählen, evtl. mit einem Chor zu singen oder an der Orgel zu improvisieren. Beim Einzug, der Kommunionspendung und der Entlassung können freiere Improvisationen gespielt werden. Die liturgische Musik in der Heiligen Messe soll in erster Linie dem Gotteslob und dem Ausdruck der Mysterien des katholischen Glaubens diesen. Die improvisierten Stücke sollen - genau wie die Gesänge - jederzeit die Mystik des Göttlichen ausdrücken. Je intensiver dies betrieben wird, umso mehr wird der Kirchenmusiker "Conzelebrant" in der Messe. Die Voraussetzung ist der Glaube an das Geheimnis der Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Jesu gerade im Hinblick auf das Spiel während der Kommunion.
Dies wird innerhalb eines Kunstwerkes - um ein solches handelt es sich beim Aufbau der Messe - getan. Anders ist es in der evangelischen Sichtweise, die z.B. das Orgelspiel als Kunstwerk zum Lob Gottes und zur Verkündigung sieht. In beiden Fällen wird der Musiker Bekenner des Glaubens in seiner Zeit und Schöpfer eines immensen Werkes, welches diverse Dimensionen abdeckt (musikalische, theologische, mystische und prophetische).
Literatur:
Gotteslob. Katholisches Gebets- und Gesangbuch mit Eigenanteil der Diözese Osnabrück, Osnabrück 1996.
Klöckner, Stefan: Zwischen Lust am Takt und Frust im Akkord. Anmerkungen zur Situation der katholischen Kirchenmusik in Deutschland, in: Musik & Kirche 1/2001, S.4-11.
Seifen, Wolfgang: Katholische Klanglichkeit? Das Besondere einer Improvisation "sub Communione", in: Musik & Kirche 1/2001, S. 12-15.