Der Klang von Pfeifenorgeln verschönert in vielen Gemeinden musikalisch die Gottesdienste. Orgelspiel leitet sie ein, begleitet den Gemeindegesang, unterstützt Chorgesang und Instrumentalvorträge. Oft erfreut in einer Kirche schon der Anblick einer schönen Orgel. Grund genug, den Aufbau dieser beeindruckenden Instrumente einmal genauer zu betrachten.
Eine Orgel ist Blas- und Tasteninstrument zugleich. Zur Erzeugung eines Tons ist zunächst komprimierte Luft erforderlich, die die Pfeifen zum Klingen bringt. Diese komprimierte Luft wird im Orgelbau als "Wind" bezeichnet.Während in früheren Zeiten zum Orgelspielen die Hilfe vorn Bälgetretern (den Kalkanten) nötig war, wird der Orgelwind heute durch einen elektrisch betriebenen Windmotor hergestellt.
Der Spieltisch ist der Arbeitsplatz der Organistinnen und Organisten. Dort befinden sich die Klaviaturen für das Spiel mit Händen und Füßen (ein oder mehrere Manuale und gegebenenfalls ein Pedal), sowie die Züge oder Schalter zum An- und Abschalten der Register.
Vom Spieltisch aus bestehen Verbindungen zu den Spielventilen und den Registerschaltungen. Diese Verbindungen werden als Trakturen bezeichnet: Die sogenannte Spieltraktur leitet die Tastenbewegungen beim Orgelspiel zu den Spielventilen, und die Registertraktur bewirkt die Steuerung zum Ziehen oder Abstoßen der Register.
Die Trakturen können mechanisch, elektrisch oder pneumatisch gebaut sein. Die mechanische Traktur, die heute nahezu ausschließlich verwendet wird, hat sich technisch am besten bewährt. Eine mechanische Spieltraktur schafft zudem eine direkte Verbindung zwischen den Tasten und Spielventilen und läßt ein musikalisch sensibles Orgelspiel zu.
Das Herz einer jeden Orgel sind die Windladen. Jedem Manual einer Orgel und dem Pedal sind eine oder mehrere Windladen zugeordnet. So besitzt eine kleine Orgel oft nur eine, eine größere Orgel mehrere Windladen.
Äußerlich gesehen scheint eine Windlade ein einfacher Holzkasten zu sein, auf dem die Orgelpfeifen stehen. In ihrem Inneren enthält jede Windlade jedoch ein doppeltes Steuerungssystem, das dafür sorgt, daß einerseits nur die Pfeifen der Töne erklingen, deren Tasten gedrückt werden und andererseits nur die Pfeifen jener Register ansprechen, die gezogen wurden
So wie es im Orgelbau unterschiedliche Traktursysteme gibt, wurden auch technisch verschiedene Bauformen für Windladen entwickelt. Bei Orgelneubauten wird seit einigen Jahrzehnten ausschließlich die Tonkanzellenlade als Schleiflade mit mechanischer Traktur verwendet, deren Funktionen ebenso einfach wie solide sind. (siehe Skizze)
Bei dieser Bauweise ist die Windlade innen in schmale Kammern, die Kanzellen, aufgeteilt. Diese Kanzellen befinden sich jeweils unter allen zu einem Ton gehörigen Pfeifen auf der Windlade und verlaufen quer zur Aufstellung der Register. Für jeden Ton gibt es somit eine Tonkanzelle in der Windlade. An der Unterseite sind die Tonkanzellen mit einer Öffnung versehen, die von einem Spielventil geschlossen wird. Unter den Spielventilen befindet sich der Windkasten, der bei angeschaltetem Windmotor mit komprimierter Luft versorgt wird. Wird eine Taste gedrückt, wird über die Trakturverbindung das betreffende Spielventil geöffnet, und der Orgelwind kann in die Tonkanzelle strömen.
Zum An- und Abschalten der Register ist ein weiteres Ventilsystem eingebaut: Die obere Abdeckung der Windlade besteht aus drei Schichten, dem unteren Fundamentbrett, den oberen Pfeifenstöcken (auf denen die Pfeifen stehen), dazwischen befinden sich die Schleifen, die bewegliche lange Holzleisten sind. Die Schleifen verlaufen unter den Pfeifen eines Registers quer zu den Tonkanzellen. Durch die drei Schichten ist jeweils unter den Pfeifen eine Bohrung angebracht. Ist ein bestimmtes Register eingeschaltet, wird die Schleife aufgezogen, so daß alle Bohrungen übereinander liegen und der Wind bei gleichfalls geöffnetem Spielventil von der Tonkanzelle in die Pfeife strömen kann. Bei ausgeschaltetem Register ist die Schleife so verschoben, daß sie die Bohrungen abdeckt.
Die Pfeifen sind die Klangerzeuger einer Orgel. Zwei Arten vor Pfeifen werden im Orgelbau verwendet: die Lippen- und die Zungenpfeife.
Die überwiegende Zahl der Pfeifen einer Orgel sind Lippenpfeifen. Die Tonerzeugung erfolgt wie bei einer Blockflöte: Durch Brechung eines Luftstroms wird im Pfeifenkörper eine Luftsäule in Schwingungen versetzt.
Eine Lippenpfeife besteht im wesentlichen aus dem Pfeifenfuß (a) dem Pfeifenkörper (b) und dem Mundstück (c) mit dem Kern (d).
Die Länge des Pfeifenkörpers bestimmt die Länge der schwingenden Luftsäule und damit die Tonhöhe der jeweiligen Pfeife.
Lippenpfeifen werden aus Metall oder aus Holz hergestellt. Metallpfeifen werden aus dem sogenannten Orgelmetall, einer Legierung aus Zinn und Blei gefertigt. Für den Bau von Holzpfeifen findet zumeist Eichen- oder Tannenholz Verwendung. Metallpfeifen können zylindrisch, konisch oder trichterförmig gebaut werden, was neben dem Material Einfluß auf den Klang hat.
Entscheidend für den Klang einer Lippenpfeife ist jedoch das Maßverhältnis zwischen Länge und Durchmesser der Pfeife, die sogenannte Mensur. So unterscheiden sich Register mit mittlerer Mensur (Prinzipalregrister) von Registern mit weiter Mensur (Flötenregister) und solchen enger Mensur (Streicher).
Die Feinstimmung von Metallpfeifen ist durch leichte Verengung oder Erweiterung am oberen Ende des Pfeifenkörpers möglich. Wird diese Pfeifenmündung verengt, wird der Ton etwas tiefer, wird sie erweitert, wird der Ton etwas höher. Größere Metallpfeifen können zur Feinstimmung auch mit einer Stimmrolle (e) versehen werden. Das Hinauf- oder Einrollen der Stimmrolle macht die schwingende Luftsäule etwas länger bzw. kürzer und damit den Ton tiefer oder höher.
Wenn bei einem Labialregister die Pfeifenkörper oben verschlossen sind, wird von einem "gedeckten" oder "gedackten" Register gesprochen. Der Ton einer gedeckten Pfeife ist eine Oktave tiefer als der einer offenen Pfeife gleicher Länge.
Bei den Zungenpfeifen erfolgt die Tonerzeugung ähnlich wie bei einer Klarinette durch das Schwingen einer Metallzunge im Stiefel (f) dem unteren Teil der Pfeife. Der obere Teil der Pfeife, der Schallbecher (g), kann unterschiedlich geformt werden, was den Klang des jeweiligen Registers ausmacht.Die Tonhöhe wird bei Zungenpfeifen durch den schwingenden Teil der Zunge bestimmt. Die Feinstimmung der Pfeifen geschieht durch die Krücke (h), einem Draht, mit dem die Länge der schwingenden Metallzunge verändert werden kann.
Die Tonhöhe eines Lingualregisters wird wie bei den Labialregistern in Fuß angegeben. Dabei wird der Vergleich mit einem Labialregister gleicher Tonhöhe zugrunde gelegt.
Eine Pfeifenreihe in gleicher Bauart und gleicher Klangfarbe wird Register genannt. Ein Register hat in der Regel eine Pfeife pro Taste einer Klaviatur, gemischte Register (z.B. Mixturen) verfügen über mehrere Pfeifen pro Taste. Jedes Manualregister hat bei einem Klaviaturumfang von 56 Tönen mindestens 56 Pfeifen, ein Pedalregister bei 30 Tönen mindestens 30 Pfeifen. Somit besitzt bereits eine kleine Orgel mit vier Manualregistern wenigstens 224 einzelne Pfeifen, während größere Orgeln über mehrere 1000 solcher Klangerzeuger verfügen. Dies ist der hauptsächliche Grund für den lebendigen und unnachahmlichen Klang einer Pfeifenorgel.
Für den Klang hat auch das Orgelgehäuse eine wichtige Bedeutung. Es schützt das Instrument mit seinen Pfeifen nicht nur vor Staub, Schmutz und Sonneneinstrahlung, sondern bündelt und verstärkt auch den Klang der Pfeifen und gibt ihn geschlossen in den Kirchenraum ab. Aus diesem Grund wird heute in der Regel keine Orgel ohne Gehäuse gebaut.
Alle diese theoretischen Kenntnisse über den Orgelbau lassen sich am besten durch praktische Anschauung begreifen. Dazu wird jeder Orgelbauer dem Interessierten gerne seine Werkstatt öffnen und seine vielseitige Arbeit zeigen; aber auch die Orgelspielerinnen und -spieler in den Gemeinden sind stets gerne bereit, den Aufbau ihrer Pfeifenorgel zu erläutern.