Kontakt | Impressum | Datenschutz | Sitemap 
 
 
Home
Veranstaltungen
Aktuelles
Vergangenes
Kalender
Berichte
Flyer
Geschenkgutschein
Forum
Wissen
Notenarchiv
Links
CD-Shop
Newsletter
Über uns


Der Vorsteher, das Plakat und die symphonische Hausmusik

Das Konzert der "Confido Camerata" am 5.2.2000 in Schwelm

d.korthals 18/02/00

Er hat es getan.
Eiskalt.
Mein Vorsteher.
Und dabei ist er doch so ein etwas unscheinbarer, älterer, netter Mensch.
Emotionslos und ohne jegliche Mimik hat er das Plakat an die Pinwand der Kirchengemeinde aufgehängt.
Ein gelbes Plakat.
Ohne Kirchenemblem drauf.

Wochenlang lädt es nun ein.
Zu einem Konzert, welches nicht von der NAK organisiert und veranstaltet, aber zumindest unterstützt wird.

  • Das Orchester: confido camerata. Nie gehört...
  • Der Dirigent: Bodo Saborowski. Immerhin bekannt durch die musikalische Leitung des NRW-Jugendtages 1999 sowie die CD "Ja, mein Herz und Leben".
  • Das angekündigte Programm: Schuberts Rosamunden-Ouvertüre, Klavierkonzert A-Dur von Mozart, und last not least wieder Schubert mit seiner "Unvollendeten". Hört sich interessant an, es wird eine niveauvolle, ausgewogene Musikauswahl versprochen. zum Programmheft
  • Der Solo-Pianist: Roland Pröll. Nun, endlich eine bekannte Größe. Pröll ist immerhin kein Noname-Klimperer, sondern angesehener Konzertpianist, Begründer des internationalen Schubert-Wettbewerbs, virtuoser Interpret auf etlichen CD-Einspielungen, um einige Merkmale seiner Karriere zu nennen.
  • Der Aufführungsort: die neugegründete Musikakademie im Ibach-Haus in Schwelm bei Wuppertal. Auch eine Novität.

Wenn dieses verflixte Plakat doch nicht wäre... - aber nun ist es schon zu spät, das Interesse ist erbarmungslos geweckt.
Im Vorfeld erfährt man, daß dieses Orchester eine Neugründung aus einer privaten Initiative heraus ist und fast ausschließlich aus neuapostolischen Musikern besteht. Ein Großteil von ihnen sind Profimusiker, Musikstudenten oder aber ambitionierte Laien. Ein einziges Intensiv-Probenwochenende und eine Generalprobe sollen genügen, um dem erwartungvollen Publikum ein anspruchsvolles musikalisches Artefakte präsentieren zu können. Ein einziges Probenwochenende ? Und dies bei einem neu gegründeten Orchester? Mir läuft es kalt den Rücken herunter. Vor meinem geistigen Auge male ich mir die Trööt-Rassel-Blöök-Geräuschkulisse eines Pseudo-Schulorchesters á la Simpson-Fernsehserie aus...

Am Samstag, den 5.2.2000, ist es endlich soweit. Mit gemischten Gefühlen betrete ich den Konzertraum. Der Raum ist klein, eigentlich zu klein für ein Orchester. Und eng ist es, sehr eng. In der Ecke des umgebauten Verkaufsraumes stehen ein paar zusammengepferchte Klaviere. Und voll wird's - mit über 350 anwesenden Personen ist der Raum bis auf den letzten Platz besetzt. All dies macht zusammen einen interessanten Charme aus, der sich nicht so ohne weiteres in Konzertsälen wiederfinden läßt: es wird "Musik zum Anfassen" geben. Die Musik eines Sinfonieorchesters als Hausmusik! In dieser unkomplizierten Atmosphäre durchzieht mich langsam ein Wohlgefühl.


Blick über das Orchester aufs Publikum

Leise erklingen die ersten Töne der Ouvertüre "Die Zauberharfe" von Schubert (Rosamunden-Ouvertüre, D 644). Sofort fällt die schlechte Akustik des Raumes auf, die eigentlich eher kammermusikalischen Ansprüchen gerecht wird. Die Töne des Orchesters finden trocken und direkt ihren Weg zum Publikum. Dadurch wirkt das Spiel allerdings auch ungewohnt transparent, und auch kleinste Fehler bleiben nicht verborgen. So auch nicht die anfänglichen Unsicherheiten vor allem in der Intonation. Doch dann - der Satzteil "Allegro vivace" der Ouvertüre beginnt, und die anfänglichen Vorurteile weichen einem ehrfürchtigen Staunen. Welch faszinierende Präzision! Welch ein Temperament, was für ein lebendiges, nuancenreiches, spannungsvolles Spiel! Und dies soll ein Orchester sein, das sich gerade erst gegründet hat? Hier ist es nicht bemerkbar, der Dirigent Bodo Saborowski hat ganze Arbeit geleistet.


Roland Pröll am Flügel

Die Spannung steigt. Mozarts Klavierkonzert A-Dur (KV 414) soll zu Gehör gebracht werden. Vom ersten Ton an werde ich von Roland Prölls transparentem, perlenden, kristallklaren Spiel gefesselt. Pröll entführt mit seinem gesanglichen Spiel in eine Klangwelt, in welcher Töne mit einer leichten Selbstverständlichkeit existieren, als wenn sie schon immer - so und nicht anders! - in der dargebotenen Form dagewesen wären und nur mal eben zu Gehör gebracht werden müßten. Im zweiten Satz überwältigt mich die Faszination klanggewordener Ruhe, die gerade von einzelnen, präzise herausgearbeiteten, leisen Tönen ausgeht.

Das Orchester verhält sich hierbei nicht aufdringlich, sondern leistet seinen Beitrag zur Unterstützung dieser Klangwelt. Es lassen sich zwar einige Unsicherheiten ausmachen, diese bleiben allerdings im akzeptablen Rahmen und sind aufgrund der kurzen Vorbereitungszeit mehr als verständlich. Die Mozart-Interpretation ist gelungen, so daß das Publikum den Vortrag schließlich mit gebührendem Applaus honoriert und eine Zugabe von Pröll (Chopin, Nocturne Des-Dur) herausfordert. In der Konzert-Pause sind erste begeisterte Äußerungen des Publikums zu hören.

Nun naht der Höhepunkt. Ohne Sensibilität für den Facettenreichtum verschiedenster Klangfarben und die ästhetisierten Emotionen dieser Sinfonie kann Schuberts "Unvollendete" (Sinfonie h-moll, D 759) schnell zu einem undefinierbaren Klangbrei verkommen. Expressiv und geheimnisvoll beginnen die Celli und Kontrabässe ihr leises Spiel. Sofort ist wieder das Gefühl da, von der Musik hinweggetragen zu werden. Die übrigen Streicher setzen ein; piano und sensibel versprühen sie eine dunkle Atmosphäre. Dann: darüber eine cantable, sensibel gestaltete Melodie. Wunderbar! Diesen Schubert erlebe ich - obwohl schon oft gehört - sehr intensiv. Vor allem in leisen Passagen gelingen herrliche meditative Momente. Die Farbigkeit der verschiedenen Klangstrukturen wird vom fähigen Dirigenten hervorragend verdeutlicht, ebenso wie es ihm gelingt, eine permanente Spannung zu erhalten, was diese Sinfonie recht lebendig wirken läßt. Zusammen mit den gut herausgearbeiteten Melodiebögen zeichnet das Orchester ein rundes und ausgewogenes akustisches Bild.

Der letzte Akkord erklingt.
Stille.
Langsam senkt sich die Hand des Dirigenten.
Und subito setzt der tosende Applaus des Publikums ein, der mehr als berechtigt ist.

Und ich - ich muß meine anfängliche Skepsis grundlegend revidieren. Zwar ließen sich einige Schwächen im Zusammenspiel und Intonation nicht leugnen - sie sind aber auf die kurze Probezeit zurückzuführen und absolut tolerierbar, weil sie das Konzerterlebnis nicht trüben konnten. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto größer wird mein Respekt vor der dargebotenen, weitgehend professionellen Leistung der anscheinend hochmotivierten Orchestermusiker und ihrem Dirigenten Bodo Saborowski. Wie gut mögen erst zukünftige Konzerte werden, wenn mehr Routine in das Orchester einkehrt ?

Ich werde den Weg dieses Orchesters weiter verfolgen. Es lohnt sich bestimmt.

Ach - übrigens:
Meinen Vorsteher habe ich leider nicht unter den Zuschauern erblickt.
Schade eigentlich.
Denn er hat was verpasst.
Und dabei ist er eigentlich alles in Schuld.
Schließlich hat er das Plakat aufgehängt....